Blogbuch: Tanzen

Immer wieder ist es in meinem Leben passiert, dass ich zum Tanzen aufgefordert wurde, und oft, wenn der Grund nicht gerade war, dass „Killing in the name of“ lief, lehnte ich dankend ab. Es ist schwierig, sich vorzustellen, dass jemand, der sich grundsätzlich bewegen kann, keine Lust zu tanzen hat. So war es bei mir auch nicht. Ich habe mich meistens einfach nicht getraut. Aber wenn ich dann doch einmal über meinen Schatten gesprungen war, habe ich es weiß Gott nie bereut. Mein Rat deshalb am Vorabend des Mai: tanzt, wenn ihr es auch eigentlich nicht tut. DENN WAS SOLL AUCH SCHON PASSIEREN – sicher, ihr könntet ausgelacht werden, euch einen Bänderriss zuziehen oder versehentlich auf einen Salamander treten. Das sind aber alles Dinge, die wirklich kein Beinbruch sind. Außer der Beinbruch selbst. Der ist ein Beinbruch. Aber der ist beim Tanzen wirklich selten.

Go und Gobang

Eine meiner kurzlebigsten Begeisterungen und Leidenschaften war das Go-Spiel, während meiner Jugend war das. Mein großer Bruder hatte sich ein Spiel gekauft, auf dem „Go und Gobang“ draufstand. Ich hatte, wie damals üblich, im Kreise von Freunden aus einer Mischung aus Langeweile und Geltungsdrang heraus plötzlich etwas erzählt, in diesem Fall, ich sei ein guter „Go und Gobang“-Spieler. Die meisten guckten so nach dem Motto „einer ist Go und einer ist Gobang oder wie“ und trauten sich nicht zu fragen, was eigentlich los ist. Aber einer fragte dann doch, das Go und was Gobang sei oder beides oder was. Und dann sagte ich, ich weiß es noch wie heute: „Go spielt man alleine und Gobang zu zweit gegeneinander.“ Und alle so aha, aber schon so in Richtung „Hut ab.“ Und dann habe ich Go auch bis heute nie verstanden und – ganz anderes Thema – bei Abalone immer haushoch gegen jeden verloren, Gott weiß warum.

Ich bin heute nicht stolz auf meine Go-Angeberei, aber finde es trotzdem schade, dass sowas in Zeiten von Smartphone und Google garnicht mehr möglich ist, weil da sofort jemand nachgucken würde, ob alles stimmt, was so verzählt wird. Damals gab es zwar auch schon Altavista und Encarta, aber wer hatte schon seinen Aldi-PC auf dem Schulhof dabei? Niemand.

Erinnerungen: Stock

Es wird berichtet, dass ich als Kind zwar durchaus, etwa auf dem Bolzplatz, auch gerne meine Zeit mit anderen Kindern verbrachte, aber eben auch viel allein. In der Nachbarschaft war immer mal angemerkt worden, ohne Frage, und doch irgendwie mit, dass ich ja oft stundenlang allein um unser Haus oder im Garten herumgehe und mit einem Stock herumfuchtele, ihn dann wieder einfach mitführe, dann meditativ stehenbleibend waagerecht mit beiden Armen von mir gesteckt einfach so hochhalte. Kurz, was ich da mache. „Er spielt“, lautete dann die unbefriedigende Antwort. Ja, ok, aber was. Ich weiß es noch. Alles, oft auch gleichzeitig. Ich spielte Filme und Hörspiele, Sportereignisse und Alltagserlebnisse nach, dachte mir dann selbst was aus, dann wieder etwas ganz anderes. Der Stock war Trompete und Steuerpult, Tennisschläger und Harpune, einfach alles. Und das Spiel war für immer. Und das Schaumi ist mein Stock geworden. Deshalb entschuldigt bitte das Durcheinander auf meiner Wall.

Blogbuch: Essen und Notleidende

Die vielschichtige Komik, dass ausgerechnet in der deutschen Stadt „Essen“ bei der Ausgabe von Grundnahrung an Notleidende in Deutsche und Nichtdeutsche unterteilt werden soll, liegt mir irgendwie schwer im Kopf. Auch, weil ich dort einige Jahre gelebt habe und einige Verwandtschaft dort wohnen habe. Im Essener Süden zwischen Rüttenscheid und dem Naherholungsgebiet Baldeneysee gibt es einen Edeka, der damals damit warb, irgendeinen bundesweiten Supermarktfilialenwettbewerb gewonnen zu haben. Feinkost, wo man hinsah. Eine riesige Fischtheke. Die Käseleute solche Antjeklamotten und -kopftücher an. Wahrscheinlich sogar Holzpantoffeln. In diesem Laden habe ich das Wort „Schwarzfüße“ kennengelernt. Natürlich kein Begriff für Kohlekumpel. In den umliegenden Villenvierteln des alten Stahl-, Hochtief- und Stromadels seien in der Nähe des Edeka Schwarzfüße gesehen worden. So welche gibt es dort nämlich eigentlich garnicht. Die müssen „rübergekommen“ sein. Nicht aus dem Ausland, also das sowieso, aber aus anderen Teilen Essens. Der Essener Süden hat 2017 tiefschwarz gewählt, und unterdurchschnittlich AfD. Dort, wo nach Meinung dieser bürgerlichen CDU-Wähler die Schwarzfüße herkommen, um in Essen-Werden im Edeka Wolfsbarsch und Feigensenf zu klauen, also in Norden, zB in Altenessen, da ist die AfD stark. Da gibt es Probleme mit Essen.

Erinnerung: Vasenhuber

Komisch, woran man sich manchmal erinnert. Ich jetzt gerade an einen Professor für Linguistik an der Uni Essen/Düsburch, der wohl mal Ire gewesen, dann aber in Essen gelandet war. Ein wirklich netter, etwas älterer Herr, sehr lieb zu allen, etwas zerstreut immer, er nannte mich mehrmals „Vasenhuber“, obwohl ich ja Weissinger heiße, was ich aber gut fand. Jedenfalls weiß ich noch, wie er einmal mit großer, von jahrzehntelanger Wiederholung ungetrübter Begeisterung erklärte, dass die oft als plump verspottete Übersetzung „Die Zeiten sind sich am Ändern dran“ von Bob Dylans einschlägig bekannten Song viel näher an der vor allem linguistischen Wahrheit und Genauigkeit seien als fast schon Falschübersetzungen wie „Zeiten ändern sich“, weil das a‘ aus a’changin eben vom deutschen „am dran“ gemeinsam vom Mittel- Alt-Englischdeutsch kommt (hatte Zwischenprüfung ne zwei!). Dann ist er noch bei der Tsunamikatastrophe 2004 in Aceh wirklich fast in einem Hotel ertrunken und in der Uni haben alle nur gelästert, dass er da Urlaub macht, da hab ich mich dann exmatrikuliert.

Die Planeten

Merkur ist ein brühend heißer Wendepunkt am Horizont der auf dem Leben nur mit enorm wenig Kleidung überhaupt möglich ist – er fliegt sehr nah an der Sonne und kann doch nicht bei ihr sein, schade

Venus die schöne Fee aus dem Planetenladen lebt nur für den Moment und alle denken ohman ihr ist alles egal aber auch sie macht. Sich Sorgen manchmal und will ganz normale Dinge. Die fliegt und ist großartig ok?

Die Erde ist unsere die Heimat von vielen Geschöpften, die aus ihrem Vorrat an frischen Wasser ausgetrunken hatten. Die Erde ist so schön, dass einem schon im Weltraum die Luft weggeschnappt wird und man ruft: junge, bist du ein wunderschöner Blauer Planet VORSICHG eRDE vor herab stürzenden satellitenen Gebäuden

Der Mars ist als roter Zauberer eingeschätzt, der in seinen Wüsten viel Wut und Traurigkeit gespeichert hat. Er ist aber treu wie ein Vulkan und sein eisernes herz funktioniert verzweifelt in Radiosignalen hört man sein Lebenswillen jm ganzen Universum

Jupiter – junge 😀 was ein riesiger Planet, der seine Gase garnicht alle selbst kennt. Gewaltig und anmutig ist er so facettenreich wie ein Geschenkkorb aus dem Käseladen mit Feigenmarmelade und doch da, er ist auch an die Sonne verhandelt und seine Fluggeräusche sind trotzdem lautlos wie eine. Spinne mit Wolken an den Füßen: stark !

Starurn: Zeigt der Saturn seinen enormn Ring aus Konstmos und anderem Weltraum Material, ist man schon um seinen kostbaren Verstand rational gebracht. Ein riesiger Schwall Emotionen überkommt alle, die ihn zwischen den Ringen sausen sehen. Gewaltig ist sicher das richtige Wort für. Diesen Kollegen. Wir wollen es oft benutzen,

Uranus: ach Guck, der Uranus wird zurecht nie vergessen. Man, sei doch nicht so still. Komm doch Mal ein bisschen aus deinen Eisigen Gesteinen heraus, hm? Du verkaufst dich doch Mal wieder unter Wert. Aber nein. Ich mache doch nur. Mein Ding weil ich es will und aus Angst. Freut ihr euch trotzdem wie ich leicht durch das Vakuum rase, ja oder? Ok ja!

Neptun, sicher, da fehlt einem fast die Sprachen er ist so weit weg von der Sonne, aber die Sonne hat ihn immer gesehen und er grüßt auf der Bahn auf der man nur letzter sein kann aber wenn er einmal angekommen ist, ist ein Neptuntag wirklich gewesen. Du Seemann, wirf dein Netz aus mit dir falle ich in die Zukunft als wäre es nichts

Pluto: du bist nämlich doch ein Planet der für kinder und alle Kenner des Sternen systems schon immer ein Planet war. Klein bist du, kamst aber dafür durch jedes Schlüssel Loch und tanzt elippsen ohne zu merken wie anstrengendes ist

Die Planeten. Sie erinnern uns daran. Sie maßlos zu lieben. Alle gleich und doch alle besonders. Gut.

Blogbuch: Softfeigen

Vorhin im Bus hat ein Mann recht gierig „Soft-Feigen“ aus einer Plastikpackung genascht und dabei, ich nehme an, um nicht zu schmatzen, beim Kauen mit geschlossenem Mund durch die Nase gepfiffen. Also so beim Ausatmen immer fiiiii…und dann kam ein Mädchen mit einem Hund an der Leine in den Bus und dann hat der Hund den Mann wie irre angebellt und er einfach so ganz demonstrativ weitergenascht und immer so fiiiii und der Hund so uauauwau…durch solche Zwischenfälle altere ich immer jeweils ein Jahr.

Blogbuch: Quitten

Seit einiger Zeit wohne ich über einem (türkischen) Supermarkt und nachts kommen immer lauter kleine und mittelgroße Laster und karren ohne Ende Quitten ran. Es gibt wirklich riesige Berge Quitten vor und in diesem Laden. Quitten riechen extrem gut nach Apfel und Birne, vor allem, wenn man an der Schale reibt. Man macht Marmelade und Kompott aus ihnen. Als Währung kann man sie gegen Waren und Dienstleistungen eintauschen.

Erinnerung: Mongolischer Kehlkopfgesang

Ich hab mir vor Jahren mal in der Freiburger Innenstadt eine CD mit mongolischem Kehlkopfgesang gekauft – die fünf oder sechs mutmaßlichen Mongolen, die abends wohl noch ein Konzert auf Einladung einer evangelischen Kirchengemeinde hatten, hatten da straßenmusiziert. Das Besondere an dieser Art Gesang ist, dass man ihn irgendwie gut findet. Dazu spielte einer der „Burschen“ eine Art Kniegeige, aber aus importiertem Holz. Die Mongolen leben ja in Jurten aus vergorener Milch, weil es in der dortigen Steppe praktisch kein Holz gibt. Es gibt da die sog. „fünfte Jahreszeit“, wo die Männer einen ganzen Monat auf Pferden (Reitervolk!) kreuz und quer durch das teils enorme Land reiten, nur um (Mal wieder) kein Holz zu finden. Schade, aber alle wussten es vorher. Und das wird dann mit einem großen Fest gefeiert, wo auch Kamerateams von 3sat dabei sein dürfen. Alles etwas seltsam .

Erinnerung: Goldfische

Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, in dem es ein kleines „Wasserschloss“ gibt, ein tatsächlich von einem teils breiten Wassergraben umgebenes, burgartiges Anwesen. In dem Wasser schwammen viele, teils unheimlich große Goldfische und auf dem Wasser mehrere weiße Schwäne, die von dort aus gerne Spaziergänger auch an Land angriffen. Für mich als Kind war glasklar, dass diese Schwäne nur zu dem einen Zweck dort gehalten wurden, nämlich um die (wertvollen) Goldfische im Wassergraben zu bewachen. Das stimmte zwar rückblickend nicht; Goldfische waren nicht besonders wertvoll und die Schwäne waren auch einfach so dort wohnhaft. Witzig ist trotzdem, dass der Preis für Goldfische in den letzten Monaten um das Zehnfache gestiegen ist und die hübschen Karpfenartigen mittlerweile als eine Art Onlinewährung gehandelt werden.