SCHÖN UND GUT oder Manchmal ist auch weniger schon Mut

HOLZ BALANCE MIT [Estragonmilch] weitere Personen

In einer Klasse wird gefragt, was die jeweiligen Großeltern der Kinder besonders gut kochen oder anders zubereiten können – oder konnten. Als Ira als letzte an die Reihe kommt, fällt ihr nichts ein. Sie hat auch gar keine Großeltern. Da sagt sie halb in ihre Hand: „Estragon Milch“. Die Lehrerin ganz laut: „Was? ESTRAGONMILCH? Das kann ich mir ja garnicht vorstellen.“ Ira wird rot, die Kinder feixen, rufen „wäh“, diese Dinge. Doch die Lehrerin kniet sich zu Ira hin und sagt, dass sie es nicht böse gemeint habe und alles gut sei. Dann macht die Klasse mit etwas anderem weiter.

Als Ira mittags nach ihrem Hause eine Straße entlang geht, findet sie nicht, dass alles gut ist. Ich kann mich schon gar nicht daran erinnern, wenn einmal alles gut war. Und das mit der Milch war nicht die Wahrheit, aber etwas Erfundendes ist besser, als wenn man gar nichts hat. Da geht sie an der geöffneten Tür einer Kneipe vorbei, vor der ein riesiges Fahrrad steht. Innen hört sie einen gehörigen Händel und zersplitternde Holzmöbel. Schließlich kommt, ganz zerzaust, der drei Meter große Zimmersmann herausgewankt. Fast läuft er Ira über den Haufen, die sich vor lauter Staunen nicht rühren kann. „Huch“, brummt er, „pass doch auf, sonst walz ich dich noch platt.“ „Schön und gut, aber was war denn da drinnen los“, fragt Ira forsch. Ein Lächeln, das man nicht sehen kann, huscht über das grimmige Gesicht des Zimmersmanns. „Ach, nur ein kleiner Händel. Alles gut, mein Kind.“ „Ich heiße Ira und es IST NICHT ALLES GUT!“ Der Zimmersmann wird ernst. Nach einer Pause sagt er: „nein.“ Und: „hier, eine Kastanie“. Die Kastanie ist sehr groß, schön glatt und sieht als wie poliert, so wunderschön rotbraun leuchtet sie. „Darfst sie behalten, Ira. Hat mich gefreut, dich kennenzulernen. Ich muss los.“ Als der Zimmersmann gerade losfahren will, ruft Ira: „du bist doch sicher schon an vielen Orten gewesen.“ Er hält an und dreht sich zu ihr um. „Das will ich meinen.“ „Hast du schon mal Estragon M.. magst du Estragon?“ Der Zimmersmann nickt und Ira lächelt zufrieden.

Die Lehrerin hat sich zuhause Estragonmilch in einem Vergleich der Berge gemacht und befüllt ein HOLZ BALANCE MIT ESTRONG MILCH BEHANG VOLL in der zoterharensik und dort gekordelt in den sportkordelonmmnm. ESTRANK heißt das Gemank. Die Lehrerin denkt, mit dem Experment sei alles gut. Doch manchmal ist auch weniger schon Mut.

Acht meiner Texte zum Suchbegriff „Schere“

(1)
Zwei Personen haben ein Date. Eine erzählt leise: ich habe als Kind meine Baumwollstrumpfhosen mit einer Schere zerschnitten. Aber nicht, weil ich sie löchrig anziehen wollte. Ich mochte das Gefühl in den Fingern, das Geräusch. Papier zu schneiden ist dagegen fast ekelhaft. Ich habe Ärger bekommen, aber ich bin in den Baum vor meinem Fenster geflogen und dort habe ich gelauert. Ich bin der Vogel, ich bin die Uhr. Warte nur…warte nur! Die andere Person ist ein Sellerie und wünscht sich, dass der Abend nie endet. Erzähl doch weiter. Aber leise, leise.

(2)
„Mama, Jeanette will die Gen-Schere nur für sich“
„Jeanette, gib deiner Schwester auch mal die Gen-Schere“.
Jeanette ist schon ein Pelikan.
Sie ist schon ein Pelikan.
Pelikan
Pepepe
Pelikan.
Sie ist schon ein Pelikan.
P E
L I K
A N

(3)
Ein Schlaglicht aus meinem Alltag: bei Rossmann eine gewöhnliche Haushaltsschere gekauft, weil ich meine alte irgendwie verlegt habe. Um die Verpackung der Schere zu öffnen, braucht man eine Schere. Versuche nach der Schere zu greifen, aber sie ist in der Verpackung. Ich komme einfach nicht ran, ohne die Schere kann ich die Verpackung nicht öffnen. Stütze mich mit zwei Fingern auf dem Küchentisch ab, um einen leichten Schwindel auszugleichen. Die Schere ist in der Verpackung.

(4)
Die 15 besten Werkzeuge:

Hammer
Zieher/Dreher
Säge
Waage
Bohrer
Schere
Stab
Kolben
Schieber
Keil
Kant
Drücker
Maß
Lot
Reißer
Heber
Zange

(5)
Meine drei Jahre alte Tochter eben so: „Schön und gut, aber der Mechanismus, durch den das CRISPR/Cas-System Prokaryoten Immunität verschafft, ist immernoch nicht genau bekannt. Ich nehme an, dass im Immunisierungsprozess die exogene DNA durch einen Cas-Proteinkomplex erkannt und als neuer Spacer in die CRISPR-Bereiche integriert wird.“

(6)
Nachtbilder

Schweifender Farn, hat den Boden nie berührt. Wasser. Eine nur den Oberkörper drehende Spielfigur in einer großen Zange. Fischgräten ziehen mit ihren schwarzen Augen ein Boot in die Tiefe. Ein riesiges, langes Bild in einem Museum. Der Rahmen ist rot. En Krokodil in einer Schneekugel. Ein Zerreisskünstler mit langem Mantel zerreißt Vorhänge. Ein Hummer haut mit einem Hammer in seiner Schere einen Porzellanteller kaputt.

(7)
Gedanke: Frisöre hätten unheimlich viel verhindern können. Sie hatten die Scheren und Rasiermesser an den Schläfen und Kehlen ungezählter Schlächter und Diktatoren, aber nie haben sie den Tyrannenmord, der kein Mord ist, sondern eine Tötung, vollzogen. Ihr habt die Gelegenheit gehabt, Leid zu verkürzen und zu beenden, doch eure eigene HAUT war euch wichtiger, und ihr nennt es Berufsehre. Schade. Die verfluchte angebliche Berufsehre der Frisöre hat Millionen Menschen indirekt das Leben gekostet.(8)
Einmal lernte ich eine Person kennen. Es war interessant. Schließlich wurden wir nach kurzer Zeit zum Liebespaar. Aber sie sagte: eines, wenn wir das so handhaben, habe ich hier ein Päckchen von mir, das du tragen musst und du darfst nicht schauen oder fragen, was dadrinnen ist. Gut,
Ich habe das Päckchen also getragen, egal wo, es war immer sehr schön, beim Spaziergang, Tretboot, diese Dinge. Das Päckchen war auch im Kino dabei, ich hatte ja keine Cola oder Gebäck selbst mitgebracht, da dies nicht erlaubt war. Auch wenn wir beieinander lagen, war das Bett mit unter meinem Arm. Äh das Päckchen.
Eines Tages, ist die Person plötzlich verstorben. Nichts vorher gesagt, man konnte sich nicht richtig verabschieden. Ich war auch auf der Beerdigung. In dem Sarg war kein Mensch mehr, nur ihre Hülle.
Ich bin dann zu Fuß nach dem Hause und habe mich zuhause hingesetzt und das Päckchen auf den Tisch gestellt. Eine Schere zum öffnen hatte ich mir bereits beim Vorbeigehen an der Stelle, wo ich die Schere aufbewahre, mitgenommen. Einen Menschen zu verlieren ist nicht leicht, wenn man ihn mochte.
Dann ist mir aber aufgefallen, dass ich das Päckchen auch zu lassen kann. Dann habe ich etwa 10 Minuten aus dem Fenster geschaut. Dann habe ich behutsam eine Hand auf das Päckchen gelegt und es zugelassen.

(8)
Einmal lernte ich eine Person kennen. Es war interessant. Schließlich wurden wir nach kurzer Zeit zum Liebespaar. Aber sie sagte: eines, wenn wir das so handhaben, habe ich hier ein Päckchen von mir, das du tragen musst und du darfst nicht schauen oder fragen, was dadrinnen ist. Gut,
Ich habe das Päckchen also getragen, egal wo, es war immer sehr schön, beim Spaziergang, Tretboot, diese Dinge. Das Päckchen war auch im Kino dabei, ich hatte ja keine Cola oder Gebäck selbst mitgebracht, da dies nicht erlaubt war. Auch wenn wir beieinander lagen, war das Bett mit unter meinem Arm. Äh das Päckchen.
Eines Tages, ist die Person plötzlich verstorben. Nichts vorher gesagt, man konnte sich nicht richtig verabschieden. Ich war auch auf der Beerdigung. In dem Sarg war kein Mensch mehr, nur ihre Hülle.
Ich bin dann zu Fuß nach dem Hause und habe mich zuhause hingesetzt und das Päckchen auf den Tisch gestellt. Eine Schere zum öffnen hatte ich mir bereits beim Vorbeigehen an der Stelle, wo ich die Schere aufbewahre, mitgenommen. Einen Menschen zu verlieren ist nicht leicht, wenn man ihn mochte.
Dann ist mir aber aufgefallen, dass ich das Päckchen auch zu lassen kann. Dann habe ich etwa 10 Minuten aus dem Fenster geschaut. Dann habe ich behutsam eine Hand auf das Päckchen gelegt und es zugelassen.

Kleine Sammlung meiner Postings zu Richard David Precht

(1)
Niemand:
Precht: „Ich schaue mitfühlend und kühl auf den Krieg“
Ich würde ihn gerne mit einem Hammer erschlagen, ist das normal oder sollte ich mich in Behandlung begeben (bin schon).

(2) Wenn ich die momentan die Runde machenden Weisheiten von Richard David Precht und Svens Sprüchebox vergleiche, kann ich mal wieder keinen nennenswerten Unterschied feststellen – eine weitere Gemeinsamkeit, häufig ist ihr Gesicht mit auf dem Sprüchebild


(3) „Erst kürzlich habe er [Richard David Precht] wieder mal seine Heimatstadt Solingen besucht – und sei ‚entsetzt‘ gewesen. ‚In meiner Kindheit war die Fußgängerzone voller qualifizierter Einzelhändler‘, erinnert sich der 54-Jährige. „‚In den Neunzigerjahren rollten die Filialketten das Terrain auf. Mittlerweile steht von drei Läden mindestens einer leer, während die anderen beiden von Ramschboutiquen und Dönerbuden bespielt werden.'“
Tagtraum: Precht stolziert mit Mantel und langem Schal kopfschüttelnd durch Solingen, da wird er hinterrücks erschossen.


(4) Gerade geträumt, Richard David Precht startet bei der Vierschanzentournee, kommt gut vom Tisch, fliegt unheimlich weit und wird unten im Tal von einer Kirchturmspitze aufgespießt: Schanzenrekord.

(5) Ich bin gegen Denkverbote; stelle mir zB seit 10-15 Minuten gerne vor, wie ich Precht und Lanz entführe und um ihr Leben kämpfen lasse: entweder einer bringt den anderen um und ist frei – oder beide sterben durch meine Hand. Natürlich sind sich die beiden zunächst einig und legen auch durchaus schlüssig, wenn auch irgendwo verräterisch dar, dass es unwahrscheinlich sei, dass ich den Gewinner so eines Deathmatches wirklich leben und gehen ließe. Und so ist es auch nicht überraschend, dass die beiden Männer sich nach gemeinsamer Absage an dieses Spiel zunächst stolz und todesmutig gegenseitig auf die Schultern klopfen, Precht jedoch in einem unbeobachteten Moment ein Messer zückt und Lanz seitlich von hinten den Hals öffnet. Lanz fällt um wie ein Sack und ist sofort tot. Dann inszeniert Precht ein furchtbar prätentiöses „oh Gott, was habe ich getan“-Drama, das er sich aber nicht mal selbst abkauft. Zügig beendet er die unwürdige Aufführung und fordert (wie erwartet vergeblich) seine Freilassung und versucht dann, den leblosen Lanz als eine Art Treppe aus dem Käfig zu benutzen, in den ich die beiden gesperrt habe. Dann muss Precht wieder reden, er bietet sogar weitere Kämpfe mit anderen an. Ich mache das Licht aus, mal sehen, ob er morgen was von Lanz gegessen hat.


(6)Das genüssliche Aufsagen von Ressentiments gegenüber der „Generation Z“ durch Markus Lanz und Richard-Adolf Precht, inhaltlich und teils auch vom Vokabular her kaum zu unterscheiden von irgendwelchen AfD-Jauchegruben, unterstreicht noch einmal, was keineswegs eines weiteren Beweises bedurft hätte: dass „Rechtsextremismus“ in der Mitte stattfindet und keine Frage des sozialen Abgehängtseins ist.
(7)
„Der Talkshow-Dauergast und Bestsellerautor Precht ist intellektuell abgestürzt und schwadroniert nun beim Coronathema auf »Querdenker«-Niveau. Weil viele Menschen ihn für klug halten, ist das eine Gefahr.“

Letzteres ist richtig, aber dass er intellektuell abgestürzt sei, empfinde ich anders. Ich habe ihn jahrelang nur als Laberhannes erlebt, dessen lahme Analysen zeitgenössischer Probleme jeder Zeitungleser aufschreiben kann. Am lebendigsten erinnere ich mich daran, wie er einmal begleitet von einem Kamerateam durch Solingen ging und sich beklagte, dass es kaum mehr „hochqualifizierte Einzelhändler“ gäbe, die Schuhsohlen und Glühbirnen verkaufen. Hätte man einen x-beliebigen Rentner dort interviewt, hätte man das gleiche gehört.

(8) „RICHARD DAVID PRECHT / / / in der Stadthalle Attendorn“

(9) Das nächste Buchprojekt von Precht hat den Arbeitstitel „Eine große, interessante Geschichte von allem.“

(10) Würdet ihr euer Kind Richard David Eintopfprecht der aufgewärmte Gulaschkanonenheini nennen?
(11) Idee für eine Dschungelprüfung: Ein Kandidat muss in eine Kiste mit den 500 wichtigsten Intellektuellen Deutschlands. Alle sind schlimm, aber er springt dann letztlich wegen R.D. Precht vorzeitig raus
(12) Tagtraum: Richard David Precht fällt ein Gebirge auf den Kopf: tot.








Ein Feuer muss kommen

Ein Bellizist wendet sich angewidert ab von Vergewaltigungs- und Mordphantasien. Bei einer militärischen Antwort auf etwas wie den Terror der Hamas darf es keinesfalls darum gehen, mit ihrer Unmenschlichkeit gleichzuziehen, sie gar überbieten zu wollen. Man hat die konkreten Ziele einer Verteidigungsarmee zu verfolgen, die ich hier nicht ausführen brauche. Nichtsdestotrotz muss die Antwort groß und schrecklich sein; die massiven Luftschläge gehören dazu. Ein Feuer muss kommen, das sagt, dass, wer für Menschlichkeit und Zivilisation steht, gegenüber des tollkühnen, vermeintlich alles überwältigenden Hasses nicht notgedrungen schwächer ist. Dass jener nicht notgedrungen und langfristig verliert. Durch einen Moment des Zorns muss der Herzschlag der Freiheit wiederhergestellt werden. Auf dass gesagt ist: unser Zorn will zum Licht, zum Leben, euer Hass will Dunkelheit und Tod.

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Übersterblichkeit in Deutschland – No news

Die Übersterblichkeit ist in Deutschland zum Ende des Jahres 2022 hin nochmal deutlich angestiegen, das vermelden diverse Medien unter Berufung auf neueste Zahlen vom Statistischen Bundesamt. Allerdings scheinen sie dieser grauenhaften Tatsache kein besonderes Gewicht beizumessen. Keine „Breaking News“-Kästen, keine Laufbänder. Irgendwo wird es kurz vermeldet, und zwar – wie schon in den Monaten zuvor -mit dem Zusatz, genau erklären könne man sich das nicht, „rätselhaft“ findet es etwa SpON, SZ „schwer erklärbar“, der Tagesspiegel spricht gar von „unbekannten Toten“.

Ein paar Gedanken will man sich dann aber doch kurz machen, oder fragt jemanden, der das macht. Tja, es habe schon noch einige Corona-Tote gegeben, das Interesse daran sei gesamtgesellaftlich aber kaum mehr gegeben, vielleicht seien viele Fälle auch garnicht mehr gemeldet worden. Außerdem sei möglich, dass Menschen, die mehr schlecht als recht die Covid-Krankheit zunächst überlebt hätten, nun in einem Jahr mit deutlich verringerten Infektionsschutzmaßnahnen von anderen Infektionskrankheiten den Rest bekommen haben könnten. Last but not least habe auch oder gerade das dritte Coronajahr vielen Krankenhäusern extrem zugesetzt; erneut seien wegen Personalmangel und Krankenstand viele Untersuchungen, Behandlungen und Operationen verschoben, kranke Patienten daruch notgedrungen schlechter betreut worden. Möglich, dass auch dies indirekt zu vermehrten Todesfällen geführt habe.

Interessant: in vielen Titeln und Teasern wird „Ursache unklar“ behauptet, aber wenn man kurz überlegt, ist es doch ziemlich wahrscheinlich, dass vieles – direkt oder zumindest indirekt – auf Corona als den Hauptverursacher hindeutet. Aber: „unklar“. Unbekannte mithin. Für die Familien der Verstorbenen, deren Tod aus der Nähe betrachtet eindeutig auf eine oder mehrere Coronainfektionen zurückzuführen ist, eine klare Botschaft: das wollen wir nicht mehr hören, ist gut jetzt.

Die Deutschen, die sich für das alles noch interessieren, sind Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker, die behaupten, dass deutschlandweit vertuschte, massive Impfschäden die Ursache für die Übersterblichkeit seien.

Die Mehrheit der Deutschen geht gelassen über Leichen, und ein Teil fleddert sie noch.

Zum Vorwurf, ich sei Bellizist

Ich habe recht oft etwas zu dem Vorwurf geschrieben, ich sei ein Bellizist. In der Regel habe ich das bejaht, zumeist mit Erklärung, manchmal auch ohne. Den Vorwurf, das Wort sei „verbrannt“, aus dem allgemeinen Sprachgebrauch als Synonym für „Kriegsgeilheit“ und Militarismus nicht mehr herauszuschreiben, nehme ich dennoch wahr (schwierig aber auch „Interventionalismus“). Dazu hatte ich auch zwei längere, gute Gespräche.

Aber ich bin natürlich uneinsichtig („…im Rauchsalon sage ich manches…“). Und ich sage auch, warum. Das Wort Bellizismus finde ich vor allem als provokanten Gegenbegriff zu „Pazifismus“ nach wie vor hilfreich, aber natürlich keineswegs als Beschreibung einer allumfassenden Lebenseinstellung. Mein Gemüt ist friedlich. Ich bin friedlich. Ein großer, schwerer Zottel, schnell ängstlicher, um Vermittlung bemühter Mensch, sich allgemeine, gutmütige Verständigung wünschend. Wer jedoch viel Angst in seinem Leben hatte und hat, und sich trotzdem ein halbwegs gutes Herz und einen ebensolchen Verstand bewahrt hat, kommt mE nicht umhin, aus persönlicher und allgemeiner, jeweils aber leidvoller Erfahrung des Zwischenmenschlichen zu schließen, dass es Menschen gibt, die verletzen und morden wollen, und die aufgehalten werden müssen, weil sie nicht freiwillig aufhören. Umso mehr, wenn sie die Kontrolle über ganze Staaten übernehmen.

Pazifismus deutscher Prägung nach 1945, den ich als zunächst unpolitischer Nerd erst nach 2001 zu verstehen begann, kennzeichnet mE ein eklatanter Mangel an Friedfertigkeit. Friedfertigkeit bezeichnet die Fähigkeit, Frieden zu bewahren oder deren Hindernisse und Brüche zu erkennen, zu lösen und Frieden, wenn nötig auch mit Gewalt, wiederherzustellen. In einer zusammenwachsenden Welt bedeutet das zunehmend und unvermeidlich den berühmten „Blick über den Tellerrand hinaus“.

Wer jedoch als einzige Erkenntnis aus Täterschaft, hier zB der von Deutschen begangene Holocaust als erstes genannt, Weltkriege danach, gestoppt nur durch Krieg, die ja grundsätzlich nicht falsche Lehre „nie mehr Täter“ zieht, sich jedoch gegen die Lehre „nie mehr Opfer“, besonders seiner Opfer, verhärtet, und mit nachgerade mörderischem Selbstbewusstsein die schreckliche Notwendigkeit verkennt und zurückweist, um sein Leben und das anderer mit der Waffe in der Hand kämpfen zu müssen, um Vernichtung zu entgehen (das Fass der Täter-Opfer-Umkehr besonders eifriger Deutscher garnicht erst aufgemacht), der ist vielleicht Pazifist, aber ganz sicher nicht friedfertig.

Schlimm, wenn man es nicht versteht. Schlimmer, wenn man es versteht, sich aber je nach Bedarf in die Reihe der vermeintlich Friedensliebenden einreiht, an anderer Stelle einen aus Bosheit und Mordlust betriebenen Krieg, gegen die eigenen Bürger und/oder gegen andere, entweder bewusst ignoriert oder leugnet, ja schönredet, ja im schlimmsten Fall gutheißt. Und es ist meistens schlimmer. Wenn mich also ein Pazifist einen Bellizisten nennt, dann antworte ich jetzt immer mit dieser „wall of text“. Nein Spaß, ich sage einfach ja.

„We hate war. We do not rejoice in victories. We rejoice when a new kind of cotton is grown, and when strawberries bloom in Israel.“ (Golda Meir)

Fiktiver Brief von Herrn Sesam an eine ihm bekannte Person

Hallo mir bekannte Person,

ich weiß, was Du jetzt als erstes denken wirst. Und so ist es auch. Ich habe lange Dir nicht geschrieben, ich habe es teils selbst verschuldet, teils sind mir diese wichtigen Dinge durchgerutscht, irgendwo um die Ecke gegangen, Du kennst mich.

Was Du als nächstes denken wirst, errate ich nicht. Ich lag nackt in einem kleinen Bach, so klein, dass das Wasser sich an meinem Kopf und meinen Schultern staute oder seitlich auf die Wiese lief. Dann begann das Wasser langsam über mein Gesicht zu laufen, aber ganz sanft. Ich hatte das Gefühl, ich hätte zusätzlich zu den eisigen Temperaturen eine kühlende Gesichtsmaske aufgetragen. Ich hörte auf, mit dem Kopf zu atmen, streckte meinen Bauch in die Höhe, der auch dünn mit fließendem Wasser bedeckt war, nun aber herausragte, und mit einem lauten Zischen bließ ich Luft aus den Lungen und mit einem kräftigen Zug neue ein.

Nicht mal Du wusstest es, nicht wahr? Ich kann auch mit dem Bauchnabel atmen. Oft habe ich es früher in der Kindheit in der Badewanne getan, aber Du weißt wie groß ich geworden bin und wie ich schon früh in die normal großen Wannen, wie sie in den meisten einfachen Bädern verbaut werden, nicht mehr hineinpasste. Ich würde sogar so weit gehen, dass ich mit dem fortschreitenden Alter wasserscheu wurde. Nur manchmal überkommt mich die Lust, meinen Spaut mal so richtig freizupusten und meine Lungen ganz zu füllen. Denn das wissen nur wenige, und es ist keine meiner eher unwahrscheinlichen Vorgaben: der normale Mensch tauscht bei einem ebensolchen Atmer nur etwa 15% der Luft in der Lunge aus, die Wale und ich und vielleicht noch 3-4 andere Menschen in der Welt, ich weiß es nicht, hingegen mit einem einzigen Atmer 80-90%.

Oder wusstest Du es doch? Kam Dir bei den wenigen Malen, wo wir uns nackt beieinander aufhielten, etwas seltsam vor an meinem Bauchnabel? Jetzt weißt Du es jedenfalls. Diese Menge an Sauerstoff, die durch diese Atmung für einige Minuten den Körper durchflutet, versetzt auch das Gehirn in unwahrscheinliche Aktivität. Allerdings bei gleichbleibender Unlust, es akribisch zu nutzen. Du weißt, wie ungern ich mir Dinge vollständig aneigne. Lieber von manchem wenig als von allem viel. Und leise, leise, und die Leute sollen nicht reden oder so, dass ich sie nicht verstehe.

Aber wie geht es Dir?

Mit den allerbesten Grüßen und Wünschen, immer Dein Herr Sesam

Neues Miniaturenbuch

Liebe Leser,

immernoch mache ich mich hier viel zu rar und trage sträflich selten meine Texte nach, die ich fast immer erstmals und einzig auf Facebook poste. Dafür sind sie jetzt in anderer Form ein wenig gebündelt erschienen, und zwar zum dritten Mal als Taschenbuch. „Der ferngesteuerte Dorsch“ gibt es ab sofort (und vorerst nur dort) auf Amazon zu kaufen.