Unversöhnlich werden

Mit dem „schlecht Vorhandenen sich nicht abfinden“ können, das, sagt Bloch, hat das Hoffen im Kern. Sich nicht abfinden, das hieß für mich in den letzten Jahren in Familie wie Freundes- und Bekanntenkreis, größtenteils außerhalb der „Filterbude“, schmerzliche Konflikte, die ich als harmoniebedürftiger Mensch lange scheute, unversöhnlich zu führen, das heißt, mit Menschen nach unmissverständlicher Aussprache und dem Erkennen und Anerkennen großer Differenzen zu brechen oder zumindest eine klare Distanz aufzubauen. Das schlecht Vorhandene ist vor allem die bewusste Verletzung anderer Menschen und das Gerücht über diese. Das schlecht Vorhandene ist eine Heimat, die der Albtraum jener ist, die, selbst wenn sie brutale, paternalistische, sexistische und nationalistische Gesellschaftsnormen erfüllen und sich an Produktivität messen lassen, Fremde oder Bürger zweiter Klasse bleiben müssen. Meine Hoffnung ist nicht der flüchtige Tagtraum, dass plötzlich Mitgefühl, Empathie, Gerechtigkeitsempfinden und das Anerkennen und Reflektieren eigener Ängste über all meine Mitbürger kommen. Ich träume viel, aber das nicht. Meine Hoffnung ist jedoch, dass Menschen mit gutem und verständigem Herzen unversöhnlich werden und den Federhandschuh aufnehmen, um das, an das wir vielleicht nicht mehr glauben können, aber auf das wir hoffen müssen und wollen, weil wir uns nicht abfinden können, selbst in die Hand zu nehmen.

Es wird Zeit, dass ein paar von euch sterben

Seit im Laufe des Tages klar geworden ist,  dass es in Halle wieder ein weißer, männlicher Rechtsextremer war, der gegen „Juden und Kanaken“ losgestürmt ist, kann ich nicht aufhören zu denken: es wird Zeit, dass ein paar von euch sterben. und nicht immer wehr- und arglose Opfer. Ich meine das nicht im Sinne von Rache. Seine Tage damit zuzubringen, über alle Kanäle Hass zu sähen und ihn auf die Straße zu tragen, erst bei rechten Zusammenrottungen, dann bei Hetzjagden bis hin zu solchen Mordanschlägen, muss einfach viel öfter tödlich für die Täter ausgehen. Denn wenn irgendetwas sicher ist, dann doch das: Faschisten wollen irgendwann Blut sehen. Und dann muss man rechtzeitig dafür sorgen, dass es ihres ist.

Ausländer

1. Oktober 2016: Aus der Deckung heraus auf Flüchtlinge schießen, das können sich viele AfDler offenbar gut vorstellen. Eine verschärfte Bedrohungslage in Kauf zu nehmen, um die Verursacher der Flüchtlingskrise zu bekämpfen und damit auf jene zu schießen, die selbst eine Waffe in der Hand haben, geht aber garnicht. Ausdrücklich war beim AfD-Parteitag im Rahmen der Ablehnung eines Militäreinsatzes in Syrien auf die dadurch steigende Gefahr von Terroranschlägen hingewiesen worden. Wohl aber sollen syrische Flüchtlinge in Deutschland als Kämpfer ausstaffiert und zurück an die Front geschickt werden. Das alles lässt sich auf eine ganz einfache Formel herunterbrechen: Die Ausländer sollen sich gegenseitig umbringen, und wer nicht bereit ist, anderswo zu sterben, der wird bei uns an der Grenze erschossen. Es ist eigentlich wie früher, der Deutsche geht zum Wohl des Volkes über Leichenberge – in Notwehr, versteht sich.

22. Dezember 2016: Kriminelle Ausländer abschieben“ war vor einigen Jahren noch eine Parole von Rechtsaußen (die Älteren erinnern sich). Heute sagt der Bundesinnenminister, ein Flugzeug voller Menschen werde (in ein krisengeschütteltes Land) abgeschoben, weil ein Drittel dieser Menschen Straftäter seien. Läuft bei uns.

 

22. Mai 2017 Jetzt kommt wieder die Zeit des großen Freibad-Mimimi. Der Ausländer ist vom Beckenrand gesprungen, ich han genau gesehen!1! Und dann natürlich das Platzhirschgebahren! Ganze Sippschaften von Jungmännern geben rund um die lauwarme Pinkelbrühe den Ton an und belästigen Frauen. Ich meine mich ja zu erinnern, dass das in der Eingeborenenprovinz, aus der ich stamme, genauso war, auch ohne die Araberen. Aber ich kann mich natürlich auch irren. Schön übrigens, dass da jetzt mehr nach geguckt wird, egal aus welchem Grund.

(In den Kommentaren bitte Links zu „so schlimm wie noch nie“-Artikeln von großstädtischen Brennpunkten)

Februar 2018 Die vielschichtige Komik, dass ausgerechnet in der deutschen Stadt „Essen“ bei der Ausgabe von Grundnahrung an Notleidende in Deutsche und Nichtdeutsche unterteilt werden soll, liegt mir irgendwie schwer im Kopf. Auch, weil ich dort einige Jahre gelebt habe und einige Verwandtschaft dort wohnen habe. Im Essener Süden zwischen Rüttenscheid und dem Naherholungsgebiet Baldeneysee gibt es einen Edeka, der damals damit warb, irgendeinen bundesweiten Supermarktfilialenwettbewerb gewonnen zu haben. Feinkost, wo man hinsah. Eine riesige Fischtheke. Die Käseleute solche Antjeklamotten und -kopftücher an. Wahrscheinlich sogar Holzpantoffeln. In diesem Laden habe ich das Wort „Schwarzfüße“ kennengelernt. Natürlich kein Begriff für Kohlekumpel. In den umliegenden Villenvierteln des alten Stahl-, Hochtief- und Stromadels seien in der Nähe des Edeka Schwarzfüße gesehen worden. So welche gibt es dort nämlich eigentlich garnicht. Die müssen „rübergekommen“ sein. Nicht Ausländer, also das sowieso, aber aus anderen Teilen Essens. Der Essener Süden hat 2017 tiefschwarz gewählt, und unterdurchschnittlich AfD. Dort, wo nach Meinung dieser bürgerlichen CDU-Wähler die Schwarzfüße herkommen, um in Essen-Werden im Edeka Wolfsbarsch und Feigensenf zu klauen, also in Norden, zB in Altenessen, da ist die AfD stark. Da gibt es Probleme mit Essen.

5. März 2018 Weitere Buch-Ideen für Boris Palmer („Wir können nicht allen helfen“)

-Nicht jeder wird gesund – Gedanken zur jährlichen Grippewelle
– Ich sage nicht nein: auch mal an sich denken
– Ich koche nicht für alle: Boris Palmer Lieblingsrezepte

– Nicht jeder Mensch ist Ausländer
– Sorry, aber jetzt rede ich
– Differenziert ans Ziel: mit der Wahrheit lügen in 10 Schritten
– Mit dem E-Bike durch Tübingen

 

11. März 2018 Heute feiert der neue „Cottbusser“ Tatort Premiere. Das Kommissarenduo, eine intelligente Frau, die sich so langsam mal einen Mann suchen muss (running gag) und ein erfahrener Mann, ermitteln durchaus nicht nur gegen Ausländer, denn auch die Einheimischen sind nicht frei von Sünden. Trotzdem, die Stimmung ist aufgebracht. Der Sohn des Kommissars ist drogenabhängig und wählt SPD. Flotte Sprüche, aber auch alte deutsche Redensarten prägen die Cottbusser Reihe. Doch da, Bandenkriminalität. Der Tatort bildet auch gesellschaftliche Realitäten ab.

19. März 2018 Am Ostersamstag veranstalten die Grünen in Tübingen eine Fahrradwanderung unter dem Motto „Ausländer zählen“. Dabei soll ganz wertfrei festgestellt werden, ob der subjektive Eindruck vieler Bürger sich bestätigt, dass in der Stadt schon enorm viele Ausländer

19. Mai 2018 Ich glaube, Leute, die in der Öffentlichkeit, zB in einer Bäckereischlange, wirklich anfangen zu überlegen, ob jemand mit gebrochenem Deutsch und einem äh verdächtigen Aussehen wohl „illegal“ im Land ist, unter denen gibt es solche, die einfach ausländerfeindlich sind und das auch richtig finden. Und dann sind da noch solche, die glauben, alle Menschen bzw alle Deutschen würden so denken, nur viele würden halt „mit dem Kopf rangehen“ und sich dazu zwingen, diese Überlegungen nicht zu artikulieren, wozu sie sich idR auch selbst zählen. Was dann aber oft zur Überlegung führt, dass das unehrlich ist, und eigentlich ja die Unterdrückung eines „ganz normalen“, nachvollziehbaren, am Ende einfach berechtigten Gedankens. Warum sollen wir länger schweigen, sicher, wenn jemand einen Ausländer beim Bäcker sieht, denkt man ui, kann der was, darf der das, ist das ein Geduldeter oder Illegaler? Ich glaube, diese Leute halten es garnicht für möglich, dass das andere wirklich einfach nicht denken. Weil es ihnen einfach egal ist und weil sie Menschen total anders kategorisieren, auch durchaus reflexhaft. In der Öffentlichkeit nehme ich sofort wahr, wenn jemand kurz davor ist, sinnlos loszufluchen, andere anzurempeln, Streit vom Zaun zu brechen zB. Die haben vorher immer schon so einen Blick. Oder ich nehme wahr, wenn jemand sehr ängstlich ist. Das gehört zu Dingen, nach denen ich Leute abscanne. Und da kommt „Flüchtling oder nicht“ garnicht bei vor. Wer solche Gedanken beim Bäcker hat, der ist einfach besessen und ausländerfeindlich konditioniert.

19. Juni 2018 Dass „jeder Mensch Ausländer“ sei („fast überall“), bewahrheitet sich schön an dieser mir von meinem Vater, damals Gemeindepfarrer in Ennepetal, überlieferten Geschichte. Wie er zu einer älteren Dame gerufen wurde, die im Sterben zu liegen schien, dann aber wohl doch noch eine ganze Weile lebte, und die ihm ihre Lebensgeschichte erzählte, die damit (vorerst) endete: „Jetzt lebe ich schon 45 Jahre in Voerde und habe immernoch Heimweh nach Milspe.“

11. Juli 2018 Seehofer und Gauland gehören zu jenen alten rechten Leuten, von denen ich schon vor Jahren schrieb, es wäre besser, sie würden in der Öffentlichkeit für den Rest ihres Opalebens die Schnauze halten. Nun sitzen sie nicht in irgendeiner Kneipe und lassen sich da bauchausstreckend und knopföffnend im Kreise von Gleichgesinnten gehen, mit ihren altersvulgär fahrengelassenen Ressentiments und ihrer gewalttätigen Volkstümelei, mit der sie als Opportunisten jahrzehntelang nicht völlig, aber für ihre Verhältnisse doch erheblich hinterm Berg hielten, machen sie nun (aus ihrer Sicht endlich) erfolgreich die Politik, die ihnen immer am Herzen lag. Das Problem ist aber weiß Gott nicht nur der alte weiße Mann. Das Problem ist die Begeisterung, die die öffentlich geduldete Ekelopa-Politik bei niederträchtig und volkstümlich veranlagten Menschen, jung wie alt, verursacht und wie sie mit unglaublichem Eifer ihre ganze Verkommenheit in die Öffentlichkeit koten. Dieser Begeisterung, die von ganz oben salonfähig gemacht und gefördert wird, haben die politischen Gegenspieler Seehofers und Gaulands fast nichts entgegenzusetzen, und ich glaube, das liegt auch daran, dass das alles Familie ist. Man kennt sich lange, man hat schon oft diskutiert und gestritten, sich aber auch wieder vertragen, und, ja gut, Opa hat zuletzt wieder arge Naziphase, aber er ist immer noch unser Onkel Eduard usw. Und so unanständig kann er ja auch nicht werden, er ist eben ein hartnäckiger Typ, der manchmal etwas verbohrt und eigensinnig ist, ok, er hat wieder wie zB Gauland vulgär den Holocaust bagatellisiert oder will wie ein Seehofer endlich viele Ausländer rausschmeissen und klopft sich dafür vor laufenden Kameras öffentlich auf die Schulter, aber am Ende gehören wir eben alle zusammen und sind eine deutsche Schicksalsgemeinschaft.

 

24. Juni 2018 Offener Brief an Bundeskanzlerin Dr. Frau Angela Merkel

Sehr geehrte Frau. Dr. Merkel, ich bin kein Nazi, aber wenn es sein muss, werde ich einer, ist doch klar.

In Italien, einem Land mit hervorragender Küche, werden jetzt Ausländer gezählt, um sie zu kennen. Denn sie sind für starke Kriminalität, die es so in Europa nie gegeben hat. In Ungarn sind obdachlose endlich kriminell. Viele weitere Beispiele.

Aber in Deutschland macht nach wie vor jeder, was er will. Zustände wie im Nazireich sind die Folge. WANn HANDELn auch SIE?

PS: Ich bin kein Nazi, aber sie.

12. Juli 2018: Menschen, die im vergleichsweise kleinen Stil erwerbsmäßig klauen und betrügen und ansonsten arbeitslos sind, werden gesellschaftlich deutlich strenger verurteilt und geächtet als solche, die arbeiten und darüber hinaus sich noch was dazuklauen oder -betrügen, auch wenn letztere das in teils viel größerem Stil machen. Klar, macht man nicht, aber die „wirklichen Kriminellen“ sind das Problem. Die Berufstätigen haben sich offensichtlich das gesellschaftliche Recht und den gesellschaftlichen Stand erarbeitet, von dem aus Betrug als normaler Teil der Arbeitswelt und „Ellbogengesellschaft“, in der man sehen muss, wo man bleibt…weil einem ja auch niemand etwas schenkt…usw…verstanden und zwar verurteilt, aber letztlich geduldet oder sogar gut gefunden wird.

Also knackt jemand ein Auto = „Hand abhacken“. Manipuliert jemand Millionen Autos, um sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen teuer zu verkaufen = ärgerlich, aber man muss ja auch sehen, wir brauchen den Erfolg in der Industrie und es sind ja trotzdem gute Autos hehe. Gebt den Mann einen verdammten Orden und schiebt ein paar Ausländer ab einfach weil ich Geburtstag habe

 

2. September 2018 Es wird ja immer mal wieder dieser schon etwas ältere Tagesspiegel-Artikel verlinkt, wo der Autor sinngemäß schreibt, eigentlich sei „die Antifa“ ja ziemlich nervig, aber andererseits könne man ja auch mal danke sagen dafür, dass sie sich immer wieder rechten Demos und Auftritten entgegenstellen, sie somit in die Schranken weisen und ungehinderte räumliche Ausbreitung verhindern, also etwas, was der Autor auch möchte, aber ohne dafür mit ihnen auf die Straße zu gehen. Ich musste an den Artikel wieder denken, als in Siegen der „Dritte Weg“ neulich gegenüber vom Bahnhof einen großen Stand aufgebaut hatte und ein Redner den Passanten via Megaphon mitteilte, die Akzeptanz von Homosexualität sei eine jüdische Erfindung usw. Die wurden in der Tat nur von einer Hand voll „Linksextremer“ gestört, und das von der Geräuschkulisse her recht erfolgreich. Es gibt keinen Aufstand von normalen Bürgern gegen Hass auf Minderheiten. Was es aber gibt, ich weiß das aus der eigenen Familie, und zwar nicht nur von dem Teil, der mittlerweile auch der AfD nahesteht, ist Verständnis für ein „Unwohlsein“ wegen der allzu selbstbewussten Art, wie Minderheiten sich heute „zur Schau stellen“ würden, so sehr, dass sie offenbar anstrebten, dass „Normalen“ sich schlecht fühlen. Sondern auch, nur das noch nicht ausgesprochen, dass es ja vielleicht ganz gut sei, wenn Ausländer, Asylanten usw mal von Rechten, die das Gesetz in die Hand nähmen, in die Schranken gewiesen werden. Es gibt die stille Duldung und sogar Übereinkunft, dass man ruhig mal ein bisschen für die biodeutsche, weiße Sache lärmen und pöbeln kann, damit dieses Land nicht vergesse, dass es immernoch „wir“ sind, die hier das Sagen haben. Die Idee, dass wir alle Individuen in einem demokratischen Rechtsstaat sind, und die Last, die das mit sich bringt, will getragen sein, für diese Idee kämpft nicht die Mehrheitsbevölkerung, sondern immer eine Minderheit. Das war so und das ist so und wird so sein.

 

3. Juni 2019 Ich habe das sichere Gefühl, dass das Asylrecht für viele meiner Landsleute eine nette Geste ist, mit der man sich in Maßen als edler, wiedergutgewordener Staat schmücken kann, aber jedem Ausländer, der im Bus zu laut redet oder nicht fleissig genug ist, dieses Recht sofort absprechen kann. Dann verkündet man staatstragend, dass man nicht allen helfen könne und meint, dass so wenigen wie möglich geholfen werden sollte. Und das soll als große Leistung anerkannt, und keineswegs als Grundrecht gedacht sein.

 

2. Juli 2019 Die Kritik an der „Wiedergutwerdung der Deutschen“, ein Weltmeistern und großtümelndes Zurechtweisen irgendwelcher europäischer Nachbarn, denen man anempfiehlt, sich so und so zu benehmen, weil man sonst nicht mehr für sie zahlen werde, diese Kritik halte ich nach wie vor für berechtigt. Aufschlussreich ist, welche Abbiegungen diese Kritik beim Asylthema nimmt. Man sollte meinen, dieses ganze „Fluchtursachen“-Thema, Deutschlands Weigerung, sich militärisch und geopolitisch gemeinsam mit westlichen Alliierten angemessen zu verhalten, stattdessen dann das Portemonaie aufzumachen, wenn man sich Problemen irgendwie kurzfristig entledigen kann, um sie anderswo eskalieren zu lassen (Stichwort Afghanistan, Syrien, Libyen, Türkei, aber auch diese ganze „macht ihr mal, wir geben euch was, damit die Ausländer irgendwo vor den Zäunen verrecken“-Politik), dazu das parteiübergreifende „Einwanderung von fleißigen, qualifizierten Arbeitskräften, die wir gut ausbeuten können yey, irgendwelche Menschen, die in Freiheit und Würde leben wollen ney“, sich absolut skrupellos verhalten, aber moralisch das große Wort schwingen, also diese ganzen Sachen wären Ziel dieser berechtigten Kritik, aber nein, ganz falsch. Ziel sind die, die Menschen aus dem Wasser ziehen, die Demos gegen Abschiebungen machen, Frauen sind und vielleicht mal irgendwas Blödes mit Deutschland im Satz gesagt haben. Echt, an der Stelle offenbart sich der neue Nationalsozialismus, ganz bestimmt, so muss es sein. Da wird die Kritik zum Trick 17 mit Selbstverarsche, aber merken tut man das offenbar nicht mehr, wenn man einmal zu diesen Punkt hingedacht hat. Der Umgang mit den Grünen ist für diese zwei grundverschiedenen Schlussfolgerungen aus einer berechtigten Feststellung das perfekte Beispiel. Die Grünen sind in ihrer Asylpolitik überhaupt nicht weit von den Seehofers entfernt, auch in ihrem Programm dominiert Verwertungslogik, das Überreden, freiwillig das Land zu verlassen, man muss realistisch sein, wir müssen auch mal wieder ein paar ertrinken lassen, aber hey, jedes Leben ist kostbar etc. Diese ganze linksbürgerliche „oder soll man es lassen“-Ekelbrigade, die sich ständig auf die Schultern klopft für ihre staatstragende Bereitschaft, Menschen zu opfern. Da könnte man sich treffendst dran abarbeiten, aber das geht nicht, weil man in dem Punkt, auch und gerade wenn man nach ganz rechts freidreht, gemeinsam im volksdeutschen Bunker sitzt und Angst vor Invasion hat. Nein, man muss den Grünen stattdessen alles mögliche andere anhängen. Dass die bunt sind, dass sie das Klima nicht mitleugnen, dass Fraue irgendwelchen Leuten das Leben retten ohne vorher zu fragen, dass sie den großen Staatsmann Salvini nicht mögen,dass sie gegen das Gesetz verstoßen und nicht danke Polizei sagen, all diese Dinge. So ein lol man.

Blogbuch: Nicht auf den Leim gehen

Ich lese in den letzten Tagen häufig, die Flüchtlingszahlen seien ja schon länger eher niedrig, deshalb seien die CSU-Manöver der Zurückweisung an der Grenze auf Basis von Obergrenzen und sonstigen Plänen, die das Recht auf Asyl (und damit die Pflicht es zu gewährleisten) gezielt in Frage stellen, so besonders absurd. Diese aktuelle argumentative Kampflinie scheint mir äußerst fragwürdig. Nicht nur wegen des Türkeideals, zu dessen Verkommenheit man wohl nicht viel sagen muss. Deutschland sollte, könnte, in meinen Augen muss sogar sehr viel mehr Flüchtende aufnehmen, auch in Zeiten, in denen mehr Menschen hier Schutz und Überleben suchen sollten als jetzt oder in der Vergangenheit, was auf ekelhaft menschenfeindliche Weise als „Flut“, „Ansturm“ usw bezeichnet wurde. Das Land war nur aufgrund mangelhafter Planung und natürlich ungenügendem Willen überfordert. Die Politik hat Angst vor, die Medien richten sich nach dem Teil der hiesigen Bürger, die sich fieberhaft in eine Ausländerfeindlichkeit hineingesteigert haben und die sozial Schwache gegen Flüchtende ausspielen. Das alles gilt es klar und immer wieder zurückzuweisen. Die Forderung muss doch ganz klar sein: Die Politik dieses auf so viele Weisen privilegierten Landes muss Lösungen liefern, auch was den Schutz vor Terrorismus und andere Probleme betrifft, aber auf Basis der Bereitschaft, der Pflicht – wenn man schon nicht in der Lage ist, freiheitliche Werte gemeinsam mit Verbündeten außerhalb Europas gegen Schlächter, Religionsfaschisten und Diktatoren auch militärisch auszufechten – wenigstens sovielen Kriegs- und Terrorflüchtenden wie möglich und nötig zu helfen. Dahinter nicht zurückfallen.

Blogbuch: Expertengewäsch

„Die größte körperliche und ideologische Gefahr für Juden in Deutschland und Westeuropa geht momentan vom Islam aus. Natürlich darf man nicht alle Muslime brandmarken, diese Verallgemeinerung muss vermieden werden – aber nicht auf Kosten der Tatsachen.“ (Michael Wolffsohn)

Mal unabhängig von der These. Ich kann diesen ganzen Stil einfach nicht ertragen von diesen Experten wie Wolffsohn, Mansour, wie sie alle heißen bei dem Thema. Irgendeinen seltsam formulierten Superlativ mit schwammigen Begrifflichkeiten postulieren, dann in lehrerhaftem Ton selbst relativieren, und sich dann auf nicht näher genannte Tatsachen berufen. Auch so gesellschaftliche Posten, die wahrscheinlich jetzt schon durchschnittlich gut programmierte Computerprogramme besser besetzen können, sonst halt irgendwelche Gymnasiasten.

Verfassungspatriotismus

Verfassungspatriotismus be like: ich mag Deutschland nicht in einem völkischen oder nationalistischen Sinne, sondern bin begeistert von der Erfolgsgeschichte der demokratischen Bundesrepublik, dem Grundgesetz, dem kaum anderswo erreichten hohen Standard an universellen Menschenrechten. In diesem Sinne bin ich stolz, ein Deutscher zu sein. Heil Hitler.

SZ-Redaktionssitzung

Idee für eine Redaktionssitzung bei der SZ wegen der neuerlichen Antisemitismusvorwürfe

A: „Also, wie sollen wir auf die Vorwürfe reagieren.“
B: „Bedauern.“
A: „Was.“
B: „Wenn es jemand falsch verstanden hat, wenn sich jemand verletzt gefühlt hat und sowas.“
C: „Was ist an der Karikatur eigentlich so schlimm.“
D: „Eben.“
A: „Naja…“
B: „Israel, das mit dem Davidstern.“
C: „Was. Das ist nunmal die Flagge Israels.“
B: „Ja, da war wohl wieder was mit den Ohren von Netanjahu.“
C: „Wieso, ach Quatsch ist das wieder. In jeder Karikatur werden Gesichter überzeichnet.“
D: „Sehe ich auch so. Total übertrieben.“
C: „Es war vor allem, es ist ja auch so. Alles voller Israel beim ESC, die zeigten ja nurnoch Israelfahnen am Ende. Ich hab meiner Frau auch gesagt, wo sind wir hier, in Jerusalem oder wie.“
D: „Schreckliches Lied auch.“
A: „Gut, also das ist jetzt nicht…also es ist wohl auch, dass die Symbolik, also dass da Raketen, Gewalt vom Juden, also von Israel ausgeht, und der Davidstern im Eurovision-Schriftzug, als wäre der in jüdischer Hand. Das ist vielleicht…“
B: „Ja..“
C: „Israel, nicht Juden.“
A: „Naja, Israel…“
C: „Das ist eindeutig Kritik an politischer Einflussnahme.“
B: „Beim ESC.“
D: „Instrumentalisierung. Ich sage nur Instrumentalisierung.“
C: „Netanjahu will Krieg. Und er nutzt jede Propaganda.“
A: „Naja. Ja, aber das ist alles ein bisschen schwierig. Israel, Juden…“
C: „Die Jud…Israel tötet wieder Palästinenser, während alle den ESC feiern.“
D: „So ist es.“
B: „Ja, aber das ist ja auch komplexer.“
C: „Netanjahu mordet und Europa feiert.“
D: „Genau. Trump auch.“
C: (nickt)
A: „Also ich weiß nicht, einerseits ja, andererseits ist diese Ikonographie, wie ich las…“
C: „Alles Quatsch.“
D: „Trump! Israel mordet.“
B: „Also ich meine auch, wenigstens bedauern.“
A: „Könnte man sich auf bedauern einigen, man muss sich ja nicht distanzieren.“
C: „Sehe nichts zu bedauern.“
D: „Bedauern kann man machen, und was Kritisches zu der Siedlungsproblematik.“
A: „Das ist ja jetzt gerade nicht…“
D: „Ich mein ja nur.“
B: „Also Mehrheit für Bedauern für etwaige Missverständnisse.“
A: „Gut.“
C: „Kein Kommentar.“
D: „Kann ich mit leben.“

Blogbuch: Atomdeal

Während Israel tonnenweise Material ranschafft, um noch und nöcher zu beweisen, was sowieso jeder, der sich nicht permanent selbst belügt, schon wusste, nämlich dass der Iran Atomwaffen anstrebte und das auch heute noch tut (wir erinnern uns, der Iran will den Judenstaat vernichten, betont dieses Vorhaben bei jeder Gelegenheit), zeigt sich die Regierung Merkel nun umso besorgter, dass die USA aus dem „Atomdeal“ aussteigen könnten, der nicht im Mindesten etwas an den entsprechenden iranischen Ambitionen geändert hat. Eindrücklicher als in diesen Tagen wird wohl nicht mehr vorgeführt, was „Atomdeal“ aus Sicht der Bundesregierung wirklich heißt: ihr macht da euer Atomprogramm ein bisschen geheim und wenn ihr irgendwann Israel vernichten wollt, bitte, aus historischen Gründen könnt ihr da von unserer Seite aber nicht auf Unterstützung hoffen. Oder jedenfalls nicht direkt. Wir können aber gerne munter Handel miteinander treiben, da haben ja auch alle was davon.

Blogbuch: Putinfreunde

Gerade besonders angesagt bei Putinfreunden und -apologeten ist eine abgewandelte Form von „Thanks Obama/Danke Merkel“, die üblichen Witze dieses Genres („Schlechtes Wetter? Das muss Putin gewesen sein“) wollen vor allem die Morde des Putinregimes sekundierend unterstützen und sind de facto Teil der neuesten Desinformations- und Nivellierungskampagne des Kremls. Aber wen will diese programmatische Dummheit wundern: während in staatlich kontrollierten russischen Medien Mordanschlagsopfer explizit als „Verräter“ verhöhnt werden, „die meistens keine hohe Lebenserwartung haben“, gleichzeitig aber Verschwörungstheorien über Täter aus dem Westen verbreitet werden, stellen sich deutschsprachige Kommentatoren eben hin und sagen sinngemäß: „ja klar, ein russischer Dissident wurde vom Putinregime vergiftet, und ich bin der Kaiser von China“. Das ist der eigentliche Reiz des Dabeiseins bei dieser putin’schen Sache. Ein „zu plump“ gibt es nicht mehr, die Leute, denen einfach nichts zu dumm ist, sind wieder eingeladen, Teil einer sehr großen Bewegung zu sein.

Blogbuch: PoMo-Kritiker

Besonders komisch an verschiedenen und sich doch oft sehr ähnelnden Gegenbewegungen zur Postmoderne (hier schlicht das Feindbild, an dem sich abgearbeitet wird) ist der Versuch, dem eine strenge Schärfe des Denkens entgegenzuhalten, die aber vor allem Ressentiment und Wut als Motor erkennen lässt, die jeweils rein subjektiv wohl mit großem Erfolg, objektiv betrachtet aber oft nur peinlich verschroben rationalisiert wird. Besonders klar wird in deren Ausführungen eigentlich immer nur, was sich gegen wen bäuchlings bzw auf einer emotionalen, sehr gerne persönlichen Ebene angestaut hat und was abgereiert werden muss; dann findet man in dem wütend Erbrochenen vielleicht ein paar nachvollziehbare Argumentbröckelchen gegen etwas oder jemanden, aber vor allem die persönlichen Unverdautheiten desjenigen und jede Menge Magensaft.